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Ernst Elitz: Kampagnen sind nachhaltiger Journalismus PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von: Heiko Hilker   
Samstag, 09. Januar 2010 um 10:02

Am Montag konnte der frühere Intendant des Deutschlandradios, Ernst Elitz, viel Platz in der Berliner Zeitung nutzen. Auf der Medienseite verkündete er „Zwölf Thesen für einen besseren Journalismus“. Er möchte, dass Journalisten Welterklärer sind, dass man sich nach der Tagesschau zurücklehnen kann, weil man „verstanden“ hat.

 

Schon in seiner ersten Thesen behauptet er, der amerikanische Soziologe Richard Sennet habe „mit seiner Lehre von der "Tyrannei der Intimität" ganze Politiker-Generationen verdorben“. Doch wie viele Politiker haben Sennet überhaupt gelesen? Und – müssen sie ihn denn lesen? Sie brauchen doch nur die Medien beobachten, vergleichen, worüber wie berichtet wird. Dann wissen sie, mit welchem Thema sie wie in die Medien kommen.

Eine These später fordert er faktisch, dass die Medien „mit Emotionen und mit erschütternden Bildern argumentieren“ müssen. Dem folgt die Forderung: „Medien müssen Tabubrecher sein.“ Dann ist die BILD wohl auf dem richtigen Weg, zumindest der Form nach. Unverständlich ist, wie ein seriöser Medienmacher im Kontext mit Robert Enkes Selbstmord fordern kann, „dass Medien frühzeitig gesellschaftliche Tabus brechen müssen, um Menschen vor Katastrophen zu bewahren“. Wenn man Tabus bricht, rettet man Menschen vor dem Tod? Welches Medium kann die Tabus einzelner brechen, um diese vor ihrer individuellen Katastrophe zu retten? Könnte es nicht sein, dass man den einzelnen so auch in eine Katastrophe treibt?

Ernst Elitz will, dass die Medien gegen die „Wort-Erfinder“ vorgehen. Irgendwo im Verborgenen wütet eine hochkreative Worte-Verdreher GmbH. Sie erfindet kleine Wortungetüme, die auch die tristen Seiten der Wirklichkeit mit einer Prise Optimismus würzen. Aus Verlusten werden Mindereinnahmen. Der Rausschmiss von Arbeitnehmern heißt "Entlassungsproduktivität".“ So Ernst Elitz. „Es ist die Aufgabe der Medien, diese Lügensprache schonungslos zu entlarven. Jeder Sprach-Vergewaltiger gehört auf ein journalistisches Fahndungsplakat.“ Nun, warum benennt er sie denn nicht die Wortverdreher und verweist auch darauf, wie oft diese und widersprochen im Deutschlandradio in Interviews ihre Verdrehungen aussprechen konnten? Und war es nicht sogar das Deutschlandradio, für das im Jahre 2009 die Sprachregel galt, statt „Wende“ immer nur „friedliche Revolution“ zu sagen – und so dem Volk die eigenen Worte zu nehmen und neue zu geben?

Dies war ein Teil einer Kampagne, scheint es. Für Ernst Elitz kann Journalismus mit Kampagnen Hand in Hand gehen. „Dranbleiben, nichts durchgehen lassen, jedes Versprechen wieder aufrufen, Versagen dingfest machen. Das ist nachhaltiger Journalismus. Solche Kampagnen sind lebensnotwendig für die Demokratie.“ Das ist neu: nachhaltiger Journalismus fährt Kampagnen. So beschreibt es BILD-Chef Kai Diekmann auch.

„Medien müssen Glaubwürdigkeitsagenturen sein.“ Doch warum sind sie es nicht? Welche Interessen unterliegen sie? Welche Ziel verfolgen sie? Wer hat in ihnen das sagen? Und – gibt es die (eine) Wahrheit? Kann man immer so leicht zwischen wahr und falsch unterschieden? Die Finanzkrise hat es offenbart: die meisten Journalisten lagen falsch. Verfügten sie nicht über die Fachkompetenz? Wie kann man nach einem solchen Reinfall fordern, dass „Journalisten lebende Sortiermaschinen“ sein sollen, „die mit ihren Fachkompetenz Glaubwürdigkeitstestate erteilen oder die Löschtaste drücken“, ohne zu sagen, was sich ändern muss, um ein ähnliches Versagen zu verhindern?

Deutlich wird Ernst Elitz ganz zum Schluss in These 11 „Nicht die Medien verdummen das Publikum, sondern das Publikum macht die Medien so dumm.“ So lange die Rundfunkgebühr eingezogen wird, unabhängig davon, wer ARD und ZDF sieht und hört und was die leisten, so lange Unternehmen glauben, dass durch ihre Fernsehwerbung Leute ihre Produkte kaufen, werden die Sender weiter das machen, was sie machen. Sie können sich fast alles leisten. Sie müssen nicht darauf reagieren, wenn immer mehr Leute immer weniger oder gar nicht fernsehen. Schließlich sollen ja in Zukunft alle eine Rundfunkgebühr bezahlen, weil die Sender wichtig für die Demokratie sind. Zudem: wenn es also am mündigen Konsumenten liegt, der dadurch, wie er sie nutzt, die Medien verändern kann, dann könnte man auch Drogen im Supermarkt anbieten. Denn der einzelne kann sich ja vor Schaden bewahren, indem er den Drogenbaronen einen zufügt: er kauft einfach nichts.